Tierisch tolle Kinderbuch-Geschichten in mehreren Sprachen
Ein besonderer Vorlesenachmittag in der Stadtbücherei Goch
Otto, die kleine Spinne aus dem gleichnamigen Bilderbuch von Guido van Genechten, hat es schwer. Sie wird von den anderen Tieren nicht gemocht, weil niemand vermutet, dass sie nett ist. Aber da Menschenkinder schlau sind, basteln sie der kleinen Spinne Otto viele bunte Freunde und Freundinnen und gemeinsam feiern sie Geburtstag – natürlich mit Geburtstagskuchen. So geschehen in der Gocher Stadtbücherei: Das mittlerweile in 13 Sprachen vorliegende Kinderbuch aus dem Talisa-Verlag wurde von Frauen präsentiert, die aus ganz unterschiedlichen Ländern nach Deutschland gekommen sind. Sie lasen diese pfiffige Kindergeschichte zur Überwindung von Vorurteilen in ihren Muttersprachen Bulgarisch, Türkisch, Farsi und Niederländisch vor.
Für die Frauen, die sich, kompetent begleitet von Dozentin Renate Schmitz-Gebel, bei drei Treffen auf das Vorlesen vorbereitet hatten, war das eine neue Erfahrung. „Ich war ein bisschen aufgeregt. Ich lese zwar meinen Enkelkindern zuhause vor, aber bisher noch nie so vielen Kindern.“, sagt Julia Maximova. Saide Samanipour war genau wie alle anderen begeistert: „Ich habe nicht damit gerechnet, dass die Kinder so aufmerksam zuhören. Einige Kinder haben mich in meiner Sprache Farsi verstanden, das war ganz großartig!“ Liesbeth Walter-Rombaut, die sowohl in Niederländisch als auch in Deutsch vorlas, war erstaunt, dass die Kinder sich so aktiv beteiligten: „Ich habe nicht geglaubt, dass die Kinder tatsächlich wie Heuschrecken durch die Gegend hüpfen und wie Regenwürmer über den Boden gleiten. Und dass sie danach wieder ruhig auf ihrem Kissen sitzen und zuhören. Aber es hat funktioniert, super! Ich habe zum ersten Mal eine so große Gruppe in deutscher Sprache angeleitet, das hat mich etwas Mut gekostet, jetzt bin ich stolz darauf.“
Über 40 Zuhörerinnen und Zuhörer
Insgesamt fanden über dreißig Kinder und zehn Mütter den Weg in die Bücherei. Sogar eine Türkischlehrerin war mit einigen Schülern und Schülerinnen ihrer Klasse gekommen. Sie konnten der Vorleserin Fatma Schneiders, die die Geschichte in türkischer Sprache vortrug, zuhören, einzelne Wörter spontan übersetzen und freuten sich, ihr Wissen anwenden zu können.
Weiter ging es mit einer zweiten Vorlesestunde, bei der es sich um die Frage drehte, was das Allerwichtigste für die Tiere im Wald ist – sind es Borsten, Flügel, lange Hälse, Schwimmhäute oder ein Rüssel? Jedes Tier aus dem Buch „Das Allerwichtigste“ von Antonella Abbatiello aus dem Bilibri-Verlag hatte dazu seinen speziellen Vorschlag. Bis schließlich die weise Eule eine versöhnliche Lösung vorschlägt. Die Kinder lauschten dieser Geschichte ebenso aufmerksam und beteiligten sich mit eigenen Gedanken am Gruppengespräch. Auch die Mütter aus Afghanistan, der Türkei, dem Iran und anderen Ländern schlugen mit den Flügeln, tröteten durch Rüssel und ergänzten einzelne Wörter in ihren Muttersprachen. Immer wieder aufgelockert durch Bewegungsimpulse konnten die Kinder am Ende aus der großen Plüschtierparade ihr Lieblingstier auswählen, dieses allen vorstellen und am Ende aus einem Pappstreifen ihr Lesezeichentier zum Mitnehmen basteln.
Weitere mehrsprachige Angebote sind in Planung
Vorlesen macht sehr viel Freude und ist für die Sprachförderung enorm effektiv. Das hat Dozentin Renate Schmitz-Gebel mit diesem Projekt, das in Zusammenarbeit mit Michaela Koprek und Monika Riße umgesetzt wurde, bewiesen. Michaela Koprek, Leiterin der Bücherei, freut sich, dass die Bücherei als einladender Ort erlebt wurde. „Aus welchem Land auch immer jemand kommt, hier sind alle willkommen. Es wäre schön, wenn zu unserem regelmäßigen Vorleseangebot auf Dauer noch weitere Sprachen hinzukämen, die mehrsprachigen Kinderbücher dazu haben wir schon. Die Vorleserinnen von heute haben es großartig gemacht. Mein Kompliment! Dass die Kinder am Ende selbst kreativ werden konnten, hat mir sehr gut gefallen.“
Monika Riße, Bereich Integration der Stadt Goch, ist ebenfalls begeistert: „Die Frauen, die heute hier in ihren Muttersprachen vorgelesen haben, sind ein fantastisches Vorbild für andere zugewanderte und geflüchtete Menschen. Die Frauen haben Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Sprachen und Geschichten entdeckt. Sie haben sich getraut, eine aktive Rolle zu übernehmen und dabei von Renate Schmitz-Gebel wichtige Tipps erhalten. Vielleicht trauen sich bei einem nächsten Mal auch andere Mütter oder Väter, eine Geschichte für Kinder in ihrer Familiensprache. Denn die Bedeutung der Familiensprache ist für den Erwerb der deutschen Sprache nicht zu unterschätzen.“
Das Projekt „Geschichten in vielen Sprachen“ ist also rundum geglückt und regt hoffentlich auch Eltern zuhause an, mehr und häufiger vorzulesen – in Deutsch und gern auch in der Familiensprache. (tm)