Einbringung des Haushaltsplanentwurfs 2023 - Haushaltsrede von Bürgermeister Ulrich Knickrehm
(es gilt das gesprochene Wort)
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
Wenn unsere Beigeordnete und Kämmerin, Frau Gansen, sogleich den Haushaltsplanentwurf für das Jahr 2023 in den Rat einbringen wird, werden Sie erleichtert feststellen: das Warten hat sich gelohnt. Aber dieses gewisse berechtigte Aufatmen darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Lage der Finanzen der Stadt Goch alles andere als rosig ist. Dazu muss man nur einen Blick auf die mittelfristige Planung bis 2026 werfen. Dort sehen wir Ergebnislücken von bis zu rund 6 Mio. €, wenn auch - allerdings rein buchhalterisch - gemindert um die „isolierten" Aufwendungen nach dem Covid-Isolierungsgesetz.
Angesichts solcher Zukunftsprognosen werden schnell allgemeine Forderungen nach Einsparungen erhoben. Nun: wir in Goch sparen seit Jahren. Nur unsere sparsame Politik und Haushaltsführung hat zu Rückzahlungen von Kassenkrediten in Höhe von mehr als 10 Mio. € und zusätzlich zum Aufbau einer Ausgleichsrücklage von mehr als 20 Mio. € gesorgt. Dieses Polster kommt uns nun sicherlich zugute und bewahrt uns für die nächsten Jahre vor einer Haushaltssicherung.
In den nächsten Jahren stehen wir zusätzlich vor einer besonderen Herausforderung: Goch wächst. Erstmals in der Geschichte unserer Stadt haben wir nach der Statistik von IT NRW die Einwohnerzahl von 35.000 überschritten (35104 per 30.6.2022). Der Bevölkerungszuwachs stammt vorwiegend aus dem Zuzug von Personen zwischen 30 und 40 Jahren. Die damit einhergehenden Aufgaben (z.B. Schaffung neuer Plätze in der Kinderbetreuung und an Schulen) und die Schaffung neuen Wohnraumes werden uns Investitionsentscheidungen in Millionenhöhe abverlangen.
Diese Betrachtung zeigt aber auch: Gegen die Entwicklung der örtlichen Finanzen kann man nicht ansparen. Die chronische Unterdeckung der kommunalen Finanzen in NRW geht in jüngster Zeit einher mit erheblich gestiegenen und steigenden Aufwendungen nicht nur aus allgemeinen Preissteigerungen, sondern vor allem aus übertragenen oder neuen Aufgaben, für die es keinerlei finanziellen Ausgleich gibt. Auch unsere Nachbarkommunen im Kreis beklagen Millionendefizite, weil sie das alles aus ihren eigenen nicht ausreichenden Mitteln stemmen. Lassen Sie mich dies an drei Beispielen erläutern:
Die finanzielle Ausstattung des Landes durch pauschale Finanzzuweisungen orientiert sich teilweise an lange überholten Vorstellungen. Die Stadt Goch betreibt intensiv den WLAN-Ausbau an den Gocher Schulen. Folgerichtig ändert sich auch die pädagogische Ausrichtung des Unterrichtes, der immer stärker elektronische Medien bei der Unterrichtsgestaltung einbezieht. Der öffentlichen Forderung nach einer Ausstattung der Schulen nach iPads für jedes Schulkind kommt die Stadt im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten nach. Die Kosten hierfür - rund 300.000 Euro jährlich - werden durch die Stadt gedeckt. Das Land hat sich einer Mitfinanzierung nicht bereitgefunden.
Der Breitbandausbau im ländlichen Bereich ist eine wesentliche Anforderung öffentlicher Daseinsvorsorge. Die privaten Anbieter, die von der Privatisierung derartiger ehemals staatlicher Leistungen profitieren, bieten diese aber aus rein wirtschaftlichen Gründen im ländlichen Bereich nicht an. Als Ausweg gilt der sogenannte geförderte Ausbau, der die ländlichen Kommunen mit erheblichen Eigenanteilen belastet. Dieser wird für die kommenden Jahre beim Ausbau des Glasfasernetzes auf rd. 3 Mio. € für die Stadt Goch geschätzt, also 3 Mio. an zusätzlichem Investitionsbedarf, der außerhalb der eigentlichen kommunalen Aufgaben liegt.
Auch die Finanzierung der Ganztagsbetreuung wird uns vor erhebliche finanzielle Herausforderungen stellen. Ab August 2026 sollen zunächst alle Kinder der ersten Klassenstufe einen Anspruch darauf haben, ganztägig gefördert zu werden. Der Anspruch soll in den Folgejahren um je eine Klassenstufe ausgeweitet werden, damit ab August 2029 jedes Grundschulkind der Klassenstufen 1 bis 4 einen Anspruch auf ganztägige Betreuung hat. Geregelt ist der Rechtsanspruch auf Bundesebene im Achten Sozialgesetzbuch (SGB VIII, § 24). Dieser sieht einen Betreuungsumfang von acht Stunden an allen fünf Werktagen vor. Die Unterrichtszeit wird angerechnet. Der Rechtsanspruch soll auch in den Ferien gelten, dabei können Länder eine Schließzeit bis maximal vier Wochen regeln. Eine Pflicht, das Angebot in Anspruch zu nehmen, gibt es nicht.
Für die Erfüllung dieses Rechtsanspruches wird neben Bauinvestitionen vor allem Personal benötigt. Nach dem derzeitigen Stand der Dinge kommen diese auf die Stadt als Träger der örtlichen Kinder- und Jugendhilfe zu, weil die Kommunen für die Kinder- und Jugendpflege seit langem zuständig sind. Da es sich nicht um eine vom Land NRW veranlasste Aufgabenerweiterung handele, lehnt dieses bislang eine Kostenübernahme ab. Für die Stadt Goch bedeutet dies Mehraufwendungen in Millionenhöhe.
Diese Liste könnte man ausgiebig fortsetzen. Sie soll zeigen, dass die Kommunen neben der ständigen Zunahme von Aufgaben durch Krisen, Flüchtlingsströme und Digitalisierung auch finanziell immer mehr in Anspruch genommen werden. Hinzu kommen zusätzliche Belastungen, weil zusätzliche Aufgaben auch zusätzliches Personal erfordern. Den Ausweg suchen bereits jetzt viele Kommunen in Steuererhöhungen, ein Weg, den wir angesichts der derzeit steigenden Preise noch vermeiden wollten und konnten.
Ich berichte dies alles nicht, um die Situation zu bejammern und alles auf das Land zu schieben. Dann auch das Land ist, so wie wir, mit völlig neuen Problemen und Lebenslagen konfrontiert, für die es keine hergebrachten Lösungen gibt, schon gar keine finanziellen. Ich möchte aufzeigen, dass wir alle an einem Punkt angelangt sind, der eine Neuordnung der Finanzierung unserer Kommunen unumgänglich macht, damit wir für die Zukunft sicher planen können. Wenn es, wie jetzt, allen Kommunen finanziell schlecht geht, kann das Finanzierungssystem nicht gut und belastungsfähig sein. Deshalb erwarte ich bereits zeitnah Ansätze zur Sicherung der kommunalen Finanzen durch das Land.
Für die jetzige Zeit der Ungewissheit möchte ich an Sie appellieren, in den Haushaltsberatungen zurückhaltend zu bleiben. Den Status quo zu sichern sollte deshalb unsere Aufgabe sein, in der Hoffnung, dass sich die Zeiten und mit ihnen die Finanzsituation aller Kommunen wieder bessern.
Und nun darf ich unsere Kämmerin bitten, Ihren Haushaltsentwurf einzubringen.