Inhalt

Ehemaliger evangelischer, mennonitischer sowie jüdischer Friedhof


Klicken Sie auf das Bild für eine größere Darstellung.

Das Areal des ehem. Friedhofs präsentiert sich heute als längsrechteckige Grünfläche. Das öffentlich zugängliche Gelände wird gegenwärtig durch eine mittige Wegeführung erschlossen. Neben Rasenflächen prägen vereinzelt stehende Bäume das Bild. Insgesamt sind 17 Grabsteine aus der Zeit zwischen 1841 und 1907 überliefert. Diese befinden sich in den Randbereichen, vor allem im hinteren, jüdischen Teil unweit der Bebauung des Nachbargrundstücks Kalkarer Straße 1. Es handelt sich hierbei mehrheitlich um Steine in hochrechteckiger Form, die – zum Teil stark verwittert - eingemeißelte Inschriften besitzen. Einige Grabmale sind obeliskenhaft gestaltet, andere weisen einen rundbogigen Abschluss auf.

Denkmalwertbegründung:

Bedeutung für Städte und Siedlungen (Stadt Goch)

Der ehem. Friedhof ist bedeutend für Städte und Siedlungen, hier die Stadt Goch, als Dokument und Erinnerung jüdischen Lebens und jüdischer Kultur in Goch sowie als ehem. Begräbnisplatz der evangelischen und mennonitischen Gemeinden der Stadt.

Juden lebten nachweislich schon vor dem Pestjahr 1349/50 in der niederrheinischen Stadt. Eine jüdische Gemeinde ist ab dem 16. Jahrhundert belegt. Zwei Jahrhunderte später – also zu einer Zeit, als der Friedhof an der Kalkarer Straße / Pfalzdorfer Straße angelegt und genutzt wurde – erreichte diese ihre höchste Mitgliederzahl. Für das Jahr 1800 sind 147 Juden aktenkundig, 1858 bereits 188.

Die wachsende Zahl jüdischer Gläubiger führte zum Bau einer größeren Synagoge (eine Synagoge lässt sich in Goch erstmals für das Jahr 1724 nachweisen). Das neue Gotteshaus wurde 1812 in der Herzogenstraße eingeweiht. 1862 erfolgte dessen grundlegende Renovierung und der Neubau von Gemeindehaus und Schule.

In der Folgezeit prägten die in Goch ansässigen Juden vor allem die örtliche Wirtschaft. Der jüdischen Familie Sternefeld gehörte am Südring eine Schuhfabrik, in der in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg bis zu 500 Menschen arbeiteten. Außerdem besaßen mehrere Juden größere Ladengeschäfte im Ort, darunter das Kaufhaus der Familie Koopmann und das Pelzwarengeschäfte Moses Devries in der Voßstraße. Hier auf dem Friedhof Pfalzdorfer Straße erhalten ist der Grabstein von Minna Hartog (1854-1884), Ehefrau des Gocher Ehrenbürgers Luis Hartog.

Im Verlauf des 20. Jahrhunderts nahm die Zahl der Juden in Goch dann rapide ab. Aufgrund einer Masernepidemie, der Auswirkungen des Ersten Weltkriegs sowie der Abwanderung aus wirtschaftlichen Gründen lebten 1925 nur noch 81 jüdische Bürger in Goch. Durch die Verfolgung in nationalsozialistischer Zeit wurde die jüdische Gemeinde dann nahezu vollständig ausgelöscht (vgl. http://wp.ge-mittelkreis.de/webfrie05/webinsch/index2.htm).

Der ortsgeschichtliche Zeugniswert des ehem. Friedhofs an der Kalkarer Straße / Pfalzdorfer Straße ist umso bedeutender, als andere Stätten jüdischen Gemeinde-Lebens außer den Begräbnisplätzen heute nicht mehr existieren. Die Synagoge mit angeschlossener Schule wurde während der Reichspogromnacht 1938 schwer beschädigt und anschließend durch einen Bombentreffer im Zweiten Weltkrieg endgültig zerstört. An ihrer Stelle befindet sich heute ein Parkplatz. Der älteste jüdische Friedhof der Stadt, gelegen an der Straße Hinter der Mauer zwischen den Straßen Hinterm Engel und Auf dem Wall, wurde 1930 abgeräumt und ist seit einigen Jahren teilweise bebaut und somit nicht mehr erlebbar.

Von ortsgeschichtlicher Bedeutung ist außerdem die Geschichte des evangelischen Teils.

Nachdem in der Franzosenzeit (1794 – 1814) die Beerdigung in den Kirchen verboten war und der Friedhof um die Kirche St. Maria-Magdalena 1822 geschlossen wurde, wird weit vor dem Steintor an der Ecke Kalkarer Straße/Pfalzdorfer Straße ein neuer städtischer Friedhof für die Reformierten und Mennoniten geplant.

Mit Datum vom 16.02.1822 wurde der Erbpachtvertrag über das Gelände an der Kuhstraße/Calcarerstraße mit der Stadt Goch abgeschlossen. Der Friedhof gehörte der evangelischen und der Mennonitengemeinde und grenzte auf der Ostseite an den ebenfalls neu geplanten Friedhof der jüdischen Gemeinde.

Die Stadtverwaltung umgibt das Gelände mit einer Mauer bzw. einer Hecke. Am 04.04.1822 wird der evangelische Friedhof in Besitz genommen, doch erst am 21.04.1822 eingeweiht.

Der evangelische Friedhof wird nach 1905, als nur noch auf dem Friedhof Greversweg Beerdigungen stattfinden, weiter gepflegt.

Aus Mitteln des Reichsarbeitsbeschaffungsprogramms werden Planierungen vorgenommen und die Fläche unter Beibehaltung der alten Familiengräber in eine Grünanlage umgestaltet. Wenige Grabsteine bleiben zur Erinnerung auf dem Friedhof stehen.

Die auf dem durch die Kriegseinwirkungen völlig zerstörten Anlage errichtete Schulbaracke für den Schulunterricht der Kinder des Realgymnasiums, die dort ab April 1947 unterrichtet werden, wird nicht als Entweihung des Friedhofs angesehen. Sie bleibt so lange stehen, bis die Räume im Gymnasium wieder nutzbar sind.

Das Presbyterium ist damit einverstanden, dass die Stadtverwaltung den Friedhof wieder einebnet und in eine Grünanlage verwandelt.

Einige Grabmäler sind noch erhalten.

1958/1959 wird der Friedhof im Einvernehmen mit der Evangelischen Kirchengemeinde und der Synagogengemeinde Krefeld zu einer einheitlichen Parkanlage bei Erhaltung des Charakters eines Friedhofs umgestaltet. Im östlichen Teil werden die Grabsteine der jüdischen Verstorbenen neu aufgestellt. (vgl. Ausarbeitung des ehem. Archivpflegers der evang. Gemeinde, Peter Oetken)

Wissenschaftliche Gründe für ein öffentliches Interesse an Erhaltung und Nutzung

An der Erhaltung des jüdischen Friedhofs besteht aus wissenschaftlichen Gründen ein starkes öffentliches Interesse. Die Erforschung und Pflege der Hinterlassenschaften jüdischen Lebens und jüdischer Kultur steht spätestens seit den 1990er Jahren im Vordergrund der kulturpolitischen Agenda und akademischen Auseinandersetzung (vgl. Quellen / Literatur: Pracht 2000 und Bajohr 2005). Nicht zuletzt der eng mit dem Friedhof an der Kalkarer Straße / Pfalzdorfer Straße verknüpften Geschichte der jüdischen Gemeinde Gochs wurde hierbei in wissenschaftlichen Aufarbeitungen bereits Aufmerksamkeit zuteil (vgl. Pracht 2000, S. 327-336). Neben der Ortsgeschichte bietet die ehem. Begräbnisstätte vor allem für die religionsgeschichtliche Forschung Aufschlüsse. Der Friedhof spielt im Judentum generell eine hervorgehobene Rolle. Wie in der Synagoge besteht für Männer die Vorschrift, eine Kopfbedeckung zu tragen. Die hebräische Bezeichnung als „Haus der Ewigkeit“ weist darauf hin, dass nach jüdischem Religionsgesetz die Totenruhe ewig gilt und Friedhöfe demnach für die Ewigkeit angelegt sind. Die Umbettung oder Neubelegung eines Grabes ist – anders als in der christlichen Friedhofskultur – daher nicht möglich.

Besonders bemerkenswert ist im Kontext religionsgeschichtlicher Fragen die Tatsache, dass der Friedhof an der Kalkarer Straße / Pfalzdorfer Straße von jüdischen Einwohnern und evangelischen Christen je zur Hälfte genutzt wurde. Bis heute stehen jüdische Steine neben christlichen. Damit belegt er die friedliche Koexistenz, welche die Geschichte der Juden in Goch ebenso prägte wie Ausgrenzung und Verfolgung.

Für die Erhaltung der Anlage sprechen weiterhin kultur- und sozialgeschichtliche Aspekte. Von der Größe und der Qualität der Steine, dem Umfang, der Darstellung und dem Inhalt der Inschriften lassen sich weitreichende Aussagen über die Lebensumstände der Verstorbenen und ihren Zeitgenossen ableiten („Archiv aus Stein“).

Auch aus genealogischen und familiengeschichtlichen Gründen ist eine Erhaltung notwendig. Stellvertretend genannt seien hier nur die Grabdenkmäler von Minna Hartog und des berühmten Gocher Arztes Johann Gottfried Rademacher (1772-1850), die sich auf dem ehemaligen Friedhof befinden.

Schutzumfang:

Schutzgegenstand sind die erhaltene Fläche des gesamten Gräberfeldes sowie die überlieferten Grabsteine.

 

Details des Denkmals

Adresse Kalkarer Straße, 47574 Goch
Laufende Nummer 104
Eingetragen am

Sie haben das Ende der Seite erreicht